Philosophische Voraussetzungslosigkeit und mystische Leere

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Rudolf Steiner in seiner Berliner Zeit kurz nach 1900

Von heute aus betrachtet ist es aufschlussreich zu sehen, in welchem geistesgeschichtlichen Kontext Rudolf  Steiners philosophische Bemühungen um den Begründungszusammenhang von Freiheit und Leerheit stattfanden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte sich nämlich die Philosophie in Deutschland auf den Versuch konzentriert, ihren durch die aufkommenden Naturwissenschaften bedrohten Anspruch auf eine Leitwissenschaft dadurch zu legitimeren, eine voraussetzungslose Erkenntnistheorie allen Wissens begründen zu können.

Bereits Kant hatte den Umschwung herbeigeführt, dass bei allem Erkennen das Subjekt beteiligt sei und somit das Subjekt bei sich selbst Umschau halten müsse, welche spezifischen Bedingungen es zum Erkennen der Welt mitbringe. Eine Reihe von damals führenden akademischen Philosophen sahen dabei die zentrale Herausforderung darin, einen Ausgangspunkt oder Zustand des Erkennens auszumachen, der (noch) von sämtlichen Vorgaben frei sei – eben voraussetzungslos.

In diese Debatte mischte sich auch Steiner ein und zeigte dabei zunächst, dass die auf Kant bezugnehmenden kritischen Ansätze selbst (unbemerkt) eine massive Voraussetzung  in ihr Denken hineintrugen: das Urteil nämlich, dass sämtliches Wissen von der Welt lediglich menschliche (subjektive) Vorstellungen seien. Dies schien – im Gegensatz zu der überwunden geglaubten – naiven Ansicht, alles was uns als Wirklichkeit erscheine, sei „an sich“ wirklich, zunächst nur zu verständlich. Angesichts der methodischen Forderung nach einem voraussetzungslosen, von allen Vor-Annahmen befreiten Anfang allen Erkennens bedeutet es jedoch einen klaren Widerspruch, das Urteil der Subjektivität des Erkennens unbefragt an den Anfang einer Erkenntnistheorie zu stellen.

Steiner wählte einen anderen Weg. Er knüpfte dabei an Überlegungen des Neukantianers Johannes Volkelt an, der den Bereich dessen, was vor aller Beurteilung Inhalt des Bewusstseins werden kann, als „reine Erfahrung“ bezeichnete, frei von jeglicher Bewertung und Verknüpfung. Diesem Zustand der reinen Erfahrung nähert man sich in einem Prozess der schrittweisen Negation und Reduktion von spezifizierten Inhalten und Bedeutungen im Bewusstsein – also in einem Zugehen auf einen Zustand, der Meditierenden auch als Entleerung des Bewusstseins vertraut ist.

Diese Entleerung führt zu einem Zustand des bloßen Gewahrens.

In diesem Gewahren gibt es keine Differenzierung mehr, keine Verbindung, keine Wertung, keine Orientierung und keine Bezüglichkeit. Zuletzt wäre sogar die Annahme eines Subjektes, das der Operator dieses Gewahrens wäre, selbst eine unzulässige Bezüglichkeit. Zu diesem Punkt müsse man gelangen, so Steiner, „ohne einen Träger desselben auch nur zu erwähnen“ (Wahrheit und Wissenschaft S. 61).

Wollte Rudolf Steiner den Drang der Philosophie zur Voraussetzungslosigkeit zu einer methodisch beschreibbaren Erfahrung mystischer Leere vorantreiben?

Im Gebirge ins Tal schauend

Arosa

Noch ehe wir die Worte aussprechen: Der Berg, der Himmel, das Tal, der Bach – wir sind vor-wortlich inne.

Begriffe greifen immer wieder aus dem Vor-Wortlichen und wir vergewissern uns der Zusammenhänge.

Zum Beispiel: Das Wassertröpfchen am Grashalm, zurückgeblieben von den tiefziehenden Wolken. Es hängt mit der ganzen Atmosphäre hier zusammen, mit Wetter und Jahrezeiten, mit der Erde und ihrer Stellung im Sonnensystem, im weiteren Sinne mit ihrem Werden, mit allem Werden  im Kosmos.
Stein , Pflanze und Tier sind Zusammenhang. Und wir?

Wir sind Anwesende.  Verstehende.  Verbindende innerhalb von Verbundenem.

Wie werden wir zu etwas, was hier nicht stört, was schon gar nicht zer-stört, sondern zu etwas, was ein Beitrag ist?

Beitragen heißt dem Verstehen Ausdruck geben. Das ausdrückend verstehende Sprechen ist das Dichten. 

Jahrestag

Auch zwölf Jahre nach dem 11. September 2001 ist heute für mich kein Tag wie jeder andere – die von zwei vollbesetzten Flugzeugen getroffenen und einstürzenden Türme in New York, dieser Einbruch fanatischen Zerstörungswillens in den Alltag westlicher Zivilisation, das hat sich tief eingebrannt.

Und noch lange ist keine Eindämmung des islamistischen Wahnsinns in Sicht – im Gegenteil, die Gotteskrieger im Namen Allahs sorgen in vielen Teilen der Welt für wachsendes Chaos, vor allem auch untereinander, siehe Afghanistan, Irak, Ägypten, Syrien…

Auch heute erwarte ich, sofern man von diesem Tag überhaupt noch Notiz nimmt, wieder irrwitzige Relativierungsversuche, kluge Selbstbezichtigungen westlicher Intellektueller, Schadenfreude gegenüber den USA oder Verschwörungsmutmaßungen. Dass der militante Islam, der fundamentalistischen Glauben als Weltgesetz durchsetzen will,  ein Grundproblem unserer Zeit ist, will kaum jemand wahr haben, auch aus Angst, in die falsche politische Ecke gesteckt zu werden, auch aus dem Selbstbild heraus, dass man als aufgeklärter, friedensliebender Mensch doch  keinen Argwohn gegen Vertreter einer Religion hegen mag. Sicher ist Dialog nötig – aber auch ein von „Appeasement“ freier Blick auf die Lage.

Willkommen

So, hier ist sie nun, nach längerem Dornröschenschlaf wieder zum Leben erwacht, meine persönliche Website mit vielen Links zu befreundeten Projekten sowie ausgewählten eigenen Beiträgen aus den letzten Jahren als Text, Audio und Video.

Lieben Dank an Felix Hau für die ganze Mühe der Umsetzung!